Funktionen der Sprache:

  1. Durch Sprache setzten die Menschen sich über das Hier und Jetzt hinweg. Sie sprechen und erzählen
    über Dinge die nicht sicht-, hör- oder fassbar sind oder über Dinge die bereits passiert sind oder erst
    noch stattfinden werden. Bei dieser Funktion stehen die Wörter stellvertretend für die Realität und sind somit repräsentativ.
  2. Menschen richten Wörter an eine andere Person, um mit diesem Menschen zu kommunizieren und um etwas zu bewirken.

Voraussetzung für die Entwicklung der Sprache:

Nach Frau Zollinger braucht ein Kind mehrere Dinge um Sprache überhaupt entwickeln zu können:

Die Entwicklung der Vorstellung: Um Sprache zu entwickeln braucht das Kind Vorstellung, um später über etwas zu Sprechen, das nur in seiner Vorstellung existiert, und um dem gesprochenen einen Sinn zu geben. Um Vorstellung aufzubauen muss das Kind spielen, und verschiedene Gegenstände sehen, betasten, greifen, etc. In diesem Spiel entwickelt sich dann eine Funktion des jeweiligen Gegenstandes wie z.B. Autos zum fahren, Stifte zum malen. Mit dem Ende des zweiten Lebensjahres entdeckt das Kind dann, dass seine Handlungen Spuren hinlassen und etwas in der Welt verändern. Somit ist nicht mehr nur die Handlung interessant sondern vielmehr das Resultat und aus sortieren und aufeinander legen wird ein Haus oder eine Burg bauen. Und jetzt entwickelt das Kind eine Vorstellung von etwas, das nicht real anwesend ist und schafft somit den Übergang vom Handeln zum denken. Mit diesem Schritt ist es nicht mehr an das Hier und Jetzt gebunden.

Die Entwicklung des „Ichs": Um Sprache zu entwickeln muss das Kind auch ein „Ich“ entwickeln, um später über seine Gefühle, etc. sprechen zu können. In den ersten Lebensjahren macht das Kind die Erfahrung, dass seine Bezugsperson anscheinend das gleiche denkt wie das Kind selber, denn wenn das Kind ein Bedürfnis hat und schreit, weiß diese Bezugsperson immer was dem Kind fehlt. Demnach muss die Bezugsperson das gleiche fühlen und denken wie das Kind. Mit den ersten Schritten des Kindes beginnen die ersten Ablösungsprozesse, denn das Kind kann nun selber bestimmen wie weit es von der Bezugsperson weg sein möchte oder nicht. Interessant sind dann natürlich meist die Sachen, die für Erwachsene wichtig sind, wie z.B. der Fernseher oder die Stereoanlage. Und dann hört das Kind zum ersten mal ein „Nein“ von der Bezugsperson und realisiert, das diese doch andere Bedürfnisse und Wünsche hat, als das Kind selber. Und somit entstehen die ersten Konflikte und die Trotzphase wird eingeleitet,
denn das Kind ist fasziniert von der Macht dieses Wortes und benutzt es selber immer häufiger. Eigene Bedürfnisse und Emotionen werden nun langsam wahrgenommen und das „Ich“ entsteht. Die Entwicklung der Sprache: „Sprache beinhaltet immer eine Dreiecks-Situation: Sie kommt von einem, ist an ein Du gerichtet und bezieht sich auf etwas Drittes, d.h. auf einen Gegenstand oder später auf ein Thema.“ Gegen Ende des ersten Lebensjahres beginnt das überprüfen der Reaktion des Gegenübers. Durch diesen Blick zeigt das Kind, dass es sein Erlebnis mit dem Gegenstand teilen will und stellt durch diesen „triangulären Blick“ zum ersten Mal eine Dreiecks-Situation her. Bis zum 18. Monat ist dieser Blick die Kommunikation von einem Kind. Gleichzeitig fängt das Kind an erste Wörter zu sprechen, jedoch nur auf das Hier und Jetzt bezogen. So können nur Sachen benannt werden, die das Kind sieht. Gegen Ende des zweiten Lebensjahres kommt dann die Fähigkeit der Vorstellung dazu und das Kind ist nicht mehr an das Hier und Jetztgebunden und realisiert auch, das man nicht nur mit Gegenständen etwas bewirken kann, sondern auch mit Wörtern, und die Sprache entwickelt sich. Jetzt will das Kind alles über diese Sprache wissen und die Zeit der Fragen beginnt. („Warum?“, „Wie?“). Und durch diese Fragen kommt es zu einer „Sprachexplosion“, der Wortschatz des Kindes vervielfältigt sich, und erste Sätze können gebildet werden.



Ursachen /Wann kommt es zu einem verzögertem Sprechbeginn?

Frau Dr. Zollinger sieht die Ursachen für eine Sprachentwicklungsverzögerung in drei verschiedenen Bereichen:

Probleme beim Spielen: Schwierigkeiten beim Auseinandersetzen mit der Gegenstandswelt. Im spielerischen Bereich ist es laut Frau Zollinger so, dass die Kinder Probleme haben sich mit Gegenständen auseinander zusetzten und nicht erkennen, dass ihre Handlungen auch Resultate haben und etwas in der Welt verändern. Somit wird bei ihnen aus „bauen“, also Bausteine wahllos aufeinander setzten, nie „ein Haus bauen“. Sie entdecken das Symbolspiel nicht und ihr spielen bleibt funktionell.

Soziale Probleme: Schwierigkeiten beim Auseinandersetzen mit der Personenwelt. Im sozialen Bereich gibt es laut Frau Zollinger Kinder, die entweder ihren Aktionsradius nicht vergrößern und somit nie ein „NEIN“ von ihrer Bezugsperson zu hören bekommen und nie in die „fremdel“-Phase kommen. Oder die Kinder, die nie eine richtige Vorstellung von sich und der Bezugsperson aufgebaut haben. Erstere sind Kinder ohne Angst. Sie können Gefahren nicht richtig einschätzen, da sie nie ein „NEIN“ von ihrer Bezugsperson gehört haben und somit das Bewusstsein haben, die Bezugsperson passt immer und überall auf sie auf und ist immer der gleichen Meinung. Letztere sind Kinder, die schüchtern und zurückhaltend sind. Sie konnten keine Vorstellung von ihrer Bezugsperson aufbauen und wissen somit nicht, dass diese auch existiert, obwohl man sie nicht sieht. Diese Kinder müssen dann, meist sogar noch im Alter von 3-4 Jahren, alle paar Minuten nachschauen, ob ihre Bezugsperson noch da ist.

Sprachliche Probleme: Schwierigkeiten mit dem triangulären Blick Im sprachlichen Bereich sagt Frau Zollinger, dass die Kinder keinen triangulären Blick entwickeln, da sie dem Spiel keinen bedeutenden Sinn geben können, und somit das Gegenüber auch keine Meinung zu diesem „sinnlosen“ Spiel haben kann. Dadurch bleibt das Gegenüber im Hintergrund, und das, was das Gegenüber sagt, auch. Somit hat auch die Sprache keinen bedeutenden Sinn für die Kinder und sie entdecken nicht, dass man mit Sprache etwas erreichen kann.



Entwicklungs-
verzögerung der Sprache

aus der Sicht von Dr. Barbara Zollinger:

Behandlung von SEV nach Dr. Barbara Zollinger

„Sprache ist eine ausschließlich dem Menschen eigene, nicht im Instinkt wurzelnde Methode zur Übermittlung von Gedanken,
Gefühlen und Wünschen mittels eines Systems von frei geschaffenen Symbolen.“



Die therapeutische Behandlung nach Barbara Zollinger

Frau Dr. Barbara Zollinger hat die Ziele der Therapie bei einer Sprachentwicklungsverzögerung in 3 Ebenen aufgeteilt:

Handlungsebene (Probleme beim Spielen)

Ziel: Übergang zum Symbolspiel / Erweiterung des Symbolspieles

Das Kind darf sich das Spielmaterial selber aussuchen. Der Therapeut greift die Tätigkeit des Kindes auf und gibt dem ganzen eine Bedeutung aus dem richtigen Leben. Der Therapeut soll diese Tätigkeit dann durch Handlungen oder Wörter interpretieren und begleiten. Dabei muss auf den Blickkontakt geachtet werden, um den Radioeffekt zu vermeiden.

Interaktionsebene (Probleme im sozialen Bereich)

Ziel: Den Anderen ins Spiel integrieren

Der Therapeut soll das Interesse des Kindes auf sich ziehen und somit den triangulären Blickkontakt provozieren. Damit soll erreicht werden, dass das Gegenüber als Person erkannt wird. Um in ein turn-taking-Spiel zu kommen, soll der Therapeut das gleiche tun wie das Kind und nicht nur als Hilfs-Ich agieren. Der Therapeut soll sich dem Kind ruhig gegenüberstellen und auch mal Nein sagen, er soll somit seine eigenen Interessen vertreten und beim Kind eine Trotzphase initiieren. Eine Trennung von der Bezugsperson ist bei der Therapieeinheit wichtig, damit sich das Kind mit fremden Personen auseinandersetzen muss und sich auf eine Person konzentrieren kann.

Sprachebene (Probleme im sprachlichen Bereich)

Ziel: Sprachverständnis erweitern

Der Therapeut soll Handlungen durch Lautmalereien unterstreichen um langsam zur Sprache hinzuführen. Wenn der Therapeut dem Kind Aufträge erteilt, dann sollte er dies ohne gestische Hinweise, und nur verbal tun. Worte und Handlungen des Kindes sollen von dem Therapeuten in ihrer emotionalen Bedeutung unterstrichen und herausgearbeitet werden. Wenn sich das Kind kommunikativ äußert, sollte dies vom Therapeuten aufgegriffen werden. Wichtig ist auch, dass der Therapeut nur kurz vor oder kurz nach einer Handlung spricht.